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Würzburg/DE, Hochschule für Musik, Konzertsaal

Orgelbau zwischen Vergangenheit und Zukunft: historische Klänge und neueste Technik

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Die neue Orgel der Würzburger Musikhochschule ist das Ergebnis einer langjährigen und komplexen Gedanken- und Ideenentwicklung, die im Spannungsfeld zwischen Kunst und Technik, zwischen Musizieren und Orgelbau, reifen und gedeihen konnte. Verantwortlich zeichnen hier in erster Linie Professor Christoph Bossert und Andreas Saage, der besonders die intonatorische Seite der Aufgabenstellung entscheidend mit beeinflusste und letztendlich auch umzusetzen hatte.

 

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Das Instrument wuchs um den klanglichen Nukleus der Originaldisposition der Arnstädter "Bach-Orgel" von Johann Friedrich Wender aus dem Jahre 1703. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war die Feststellung, dass die seit der im Hamburgischen geborenen Orgelbewegung als Bach-Ideal dargestellte norddeutsche Barockorgel keineswegs den Instrumenten Johann Sebastian Bachs und seinen überlieferten Wünschen und Vorstellungen entsprach. Vielmehr tun dies die Instrumente der mittel- und süddeutschen Tradition, die in ihrer Vielfarbigkeit auch zum Ausgangspunkt der deutsch-romantischen Orgel wurden.

 

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Nun ist die Würzburger Orgel sicherlich weit entfernt von einer Stilkopie. Auch wenn eine eindeutig barocke Disposition und ihre Disponierungsprinzipien die Grundlage bilden, erwächst daraus ein in klanglichem wie auch dynamischen Umfang symphonisches Konzept.

 

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Die aus der Sichtweise der oben erwähnten Orgelbewegung heraus bis heute favorisierte mechanisch gesteuerte Schleiflade bietet dem Organisten trotz einer spiel- und verzögerungsfreien Verbindung von Taste und Ventil nur eine stark eingeschränkte Möglichkeit der Tonbildung. Dies resultiert aus den charakteristischen Strömungsverhältnissen am Tonventil und insbesondere der Versorgung mehrerer Pfeifen mit Wind durch dasselbe Ventil – ein unabänderliches Konstruktionsmerkmal der Schleiflade. Die Kegellade mit ihren individuellen Ventilen für jede Pfeife hingegen erschwert eine subtile Tonbildung durch den unmittelbaren Zusammenhang von Anzahl der gezogenen Register und dem Tastengewicht.

 

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Eine vollständige Entkopplung dieser zwei Faktoren kann nur durch einen Servo-Mechanismus erfolgen, der zwar dem Willen bzw. der Fingerbewegung des Organisten penibelst folgt, gleichzeitig aber jenseits aller physiologischen Grenzen immer ausreichend Kraft bereitstellt. Dieser Spagat gelingt durch den Einsatz von Proportionalmagneten, angesteuert über ein entsprechendes Traktursystem des italienischen Herstellers Eltec. Hier ist das Paradoxon zu akzeptieren, dass eine aus den Anfängen der Elektrik stammende analoge Traktur nur das prinzipiell digitale An/Aus-Signal übertragen kann, eine moderne digitale Traktur aber ein analoges mit unendlich vielen Stellmöglichkeiten zwischen den Endpunkten An und Aus. So wird aus dem häufig empfundenen Nachteil einer elektrischen Traktur ein Vorteil. Sie lässt eine traditionelle Mechanik in Bezug auf Differenzierungs- und Artikulationsfähigkeit weit hinter sich.

 

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Philipp Klais zu diesem Projekt:

Jetzt ist sie fertig, die neue Orgel der Hochschule für Musik und dieses bedeutsamen Würzburger Konzertsaales. Mich fasziniert das konsequent durchdachte Konzept von Christoph Bossert: eine Orgel, die auf die Traditionen barocken Orgelbaus aufbauend und auf direkte Vorbilder dieser Epoche fußend in die Romantik hinein weitergedacht ist. Er vermochte es vom ersten Gespräch an, uns für diese Idee zu begeistern, ja noch vielmehr, uns dafür einzunehmen. Wir Orgelbauer sind Handwerker, fühlen uns aber auch als Künstler. Es gelang Christoph Bossert, uns zu begeistern, an die Hand zu nehmen und auf dem Weg mitzunehmen und uns dabei immer das Gefühl zu geben, ernst genommen zu werden. So entstand im Miteinander ein Einklang, den man im Instrument tatsächlich hören kann.

 

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Es gibt ein strenges formales Gerüst, eine Ausschreibung des Staatlichen Bauamtes Würzburg, Zahlungspläne, Terminpläne, Leistungsbeschreibungen, Normen. Und inmitten dieses strikten Rahmens entsteht eine kreative inspirierende respektvolle Zusammenarbeit, die es ermöglicht, ein klingendes Musikinstrument zu schaffen. Es ist das Ergebnis einer sehr engen Teamarbeit zwischen dem Staatlichen Bauamt, der Würzburger Musikhochschule, der Orgelbauwerkstatt Klais und dem Kreativteam der Orgel, bestehend aus Christoph Bossert, dem Konzeptschöpfer dieses Instrumentes, Andreas Saage, dem Intonateur, der jeder einzelnen Pfeife ihren Klang geschenkt hat und Hans Jürgen Reuschel, dem technischen Fachberater des Projektes. Gegenseitiger Respekt prägte die Zusammenarbeit.

 

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Respekt gegenüber dem Raum mit seiner Geschichte und Tradition ist auch die Grundaussage des Orgelentwurfes: Eine klar ablesbare Orgel, die mit ihrer ruhigen, schlichten Erscheinung gleichzeitig Ruhe und skulpturale Eigenständigkeit zum Ausdruck bringt. Die metallischen Oberflächen spiegeln die Farben und Formen des Raumes wieder und verschmelzen so mit der gegebenen Architektur.

 

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Und wenn man die Augen schließt, so wünschen wir uns, kann man ein historisches Instrument hören, welches weit in die Zukunft blickt. Die Fragilität barocker historischer Klänge verschmilzt mit den Ideen der nachfolgenden Epochen zu einer Einheit.

 

Vorbereitet ist bereits die weitere Ergänzung, bietet sie die spannende Möglichkeit zur Forschung, Fortschreibung und Vollendung. Wir Orgelbauer wünschen uns diese Fortschreibung lieber für morgen als für übermorgen.

 

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Und wir wünschen uns, dass Sie, liebe Zuhörer, in ein Bad von Klang eintauchen und sich von den Künstlern am Instrument, den Organisten, verzaubern und begeistern lassen.

 

Philipp C. A. Klais, Bonn

 

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